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278,9 Kilometer und große Gefühle Tag 15

Lage

  • Füße: zum letzten Mal Hirschtalgcreme und die Socken werden verbrannt
  • Pilgeraufkommen: aus allen Richtungen strömen sie nach Santiago
  • Kalorien: Caldo galego entdeckt
  • Wetter: Abschiedswetter, Regen, Nebel, Kälte
  • Stimmung: es reicht jetzt

Die Nacht war schlecht, das Abendessen auch. Carlos hat in imposanter Kochverkleidung ein fragwürdiges Menü serviert, das mir gar nicht bekommen ist. Ich glaube, das Hähnchenfleisch war schlecht. Das Hotel war schön, historisch mit einem tollen Garten. Carlos und Tanja bemüht. Ich wollte mich gerne von ihm zum Camino fahren lassen, ging aber nicht, weil er ausschlafen muss. Sie wollten mir ein Taxi bestellen, das wollte ich nicht. Ich laufe lieber drei Überkilometer zum Camino, statt einen Termin im Urlaub zu haben. Da kann ich los, wann ich möchte.

Ich fühle mich schwach auf den Beinen, mir ist übel und ich bin froh, dass es heute nur 14 Kilometer sind. Es hat in der Nacht geregnet und ich lege die Regenausrüstung zurecht. Ich bin sehr dankbar, dass ich bislang so tolles Wetter hatte. Im Nebel und in Dunkelheit loszulaufen macht echt keinen Spaß. Der Nebel dringt in die Klamotten ein, es ist nicht besonders warm.

Ich laufe die Straße entlang, ein Hund beginnt zu bellen. Galiziens Gärten sind voll mit Hunden, es ist unglaublich. Ich habe auf dem ganzen Camino niemanden mit Hunden laufen sehen. Der Hund, der so bedrohlich bellt, ist gar nicht im Garten. Er rennt auf mich zu. Ich rede beruhigend auf ihn ein und er dreht ab. Geschafft, denke ich. Ich laufe am nächsten Haus vorbei und der nächste Hund bellt. Der freilaufende Hund kommt zur Unterstützung des Gartenhunds und lässt mich nicht am Haus vorbei. Er knurrt bedrohlich, bellt wie wahnsinnig.

Ich gebe auf. Ich denke, dunkel, kalt, neblig und auch noch dieses Biest. Ich lass mich doch von dem nicht in den Hintern beißen. Und das alles ohne Frühstück. Der Camino kann mich mal. Das wäre ein Abschluß. Letzte Etappe wegen Hundehinternbiß abgebrochen. Ich drehe um und gehe zum Hotel zurück. Carlos soll mir ein Taxi rufen, wenn sein Biorhythmus das zu lässt.

Im Hotel sind einige Pilger. Mit einer Gruppe Engländerinnen habe ich gestern am Pool gelegen. Sie sind auch schon auf den Beinen. Mary aus Oxfordshire, fährt Cathrine aus London zum Camino. Ob ich mitwolle? Ich freue mich so, umarme sie und erzähle von meinem Hundeabenteuer. Mary bietet sogar an, meinen Rucksack nach Santiago zu fahren, ich müsste ihn halt in ihrem Hotel abholen. Da kommt die Pilgerehre durch, ich werde meinen Rucksack doch auch die letzten Meter tragen können. Mary hat auch Bauchweh vom Abendessen.

Schon sieht die Welt besser aus. Den gloriosen letzten Tag, mit Auftritt auf dem rotem Teppich in Santiago vor der Kathedrale, habe ich mir wahrlich anders vorgestellt.

Mary, Cathrine, Rose und Stacey wollten alle gemeinsam den Camino von Tui aus in einer Woche laufen. Die erste musste im Vorfeld auf das Auto umsteigen, weil sie eine Fußoperation hatte. Die Zweite kam in Tui an und fand, das sei doch nichts für sie. Die Dritte bekam einen Virus und musste nach zwei Tagen aufgeben. Übrig bleibt Cathrine, sie ist jeden Tag gelaufen. Mein Glück!

Wir finden den Einstieg in den Camino schnell. Diese Pilgersilhouetten werden mir fehlen. Ruhig ziehen sie in der Ferne vorbei, Rucksack, Stock und Hut. Cathrine ist ganz nervös. Sie will laufen, wie ein junges Pferd rennt sie los. Trotz meiner wackligen Beine, freue ich mich auf die letzte Etappe und genieße jeden Schritt.

So laufe ich heute erstmalig ohne Hochgefühl los. Ich habe Kopfschmerzen und Bauchweh von Carlos Huhn. Das Wetter ist schlecht, ab morgen ist Dauerregen angesagt. Was hatte ich für ein Glück. Den Camino im Regen zu laufen macht sicher gar keinen Spaß.

Die Strecke ist nicht besonders schön. Der Weg geht an der Autobahn entlang, über sie drüber, unter Schnellstraßen durch, die Karawane zieht unverdrossen vorbei. Alle in Regenjacken und Rucksackschutz.

Es geht mal wieder den Berg hoch. Oben steht ein Pilger im historischen Kostüm, der mich sicher gleich fragt, woher ich komme. Ist sicher vom Tourismusbüro und macht eine Statistik.

Ist er nicht. Er wirbt für das Café Camino in dem es eine nahrhafte Suppe Caldo Galego geben soll. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, biege ab und gehe frühstücken. Im Café sitzt schon eine Pilgerin ohne Schuhe in Strümpfen. Läuft sie so in Santiago ein? Der Wirt verspricht mir, dass die Suppe mir Kraft geben wird und in der Tat ist sie für meinen flauen Magen genau das Richtige. Ich bekomme wieder genau das, was ich brauche.

Der Weg wird städtisch, bald bin ich da, denke ich. Es sind jedoch immer noch sechs Kilometer.

Es wird wieder ländlicher und ganz unscheinbar beginnt Santiago da Compostela.

Die Beschriftung hört plötzlich auf, es gibt keine gelben Pfeile mehr. Viele Pilger, auch Junge, haben Kniebandagen, humpeln in ihren Schuhen, laufen in Trekkingsandalen mit dreckigen Socken. Plötzlich ist großer Pilgerauflauf auf der Straße. Ein Notfall, ein Pilger liegt auf dem Boden, ein junger Mann, sehe ich aus den Augenwinkeln. Der Notarzt ist schon gerufen, Ärzte sind schon da. Ich gehe, weiter, will nicht so neugierig sein.

Ich laufe die letzten Meter sehr dankbar. Ich danke meinem Körper, dass er den Camino so gut bewältigt hat. Ich humple nicht, mir tut nichts weh, ich bin nur müde. Dieser Körper, der vor nicht langer Zeit so krank war. Unglaublich.

Auch ohne gelbe Pfeile kann man sich nicht verlaufen. Die ganze Stadt ist auf die Kathedrale ausgerichtet. In den Gassen der Altstadt ist schon ein Turm zu sehen und schon stehe ich vor dem Portal mit vielen anderen Pilgern auch. Wow, diese Architektur wirkt.

Ich werde doch hier nicht weinen, ich bin doch nur hergelaufen. Ich setze mich müde auf eine Bank und bin überwältigt, ich kann es nicht zurückhalten. Ich bebe, weine und denke: wow, ich habe das wirklich geschafft, ich habe das echt durchgezogen.

Eine Pilgerin winkt mir, es ist Stephanie. Wir umarmen uns und gratulieren uns gegenseitig. Steve aus Montana sucht eine Busverbindung, sie steht da und wartet auf ihre Compostela, die Pilgerurkunde aus dem Pilgerbüro.

Ich frage sie, was einen denn da so umhauen würde. Sie hat das schon zum zweiten Mal erlebt. Nun, sagt sie, sie könne nur für sich sprechen, man hatte ein Ziel auf das man zugearbeitet hat. Man hat es erreicht und ist sehr stolz drauf, weil man etwas Großes geleistet hat. Es ist aber mit der Ankunft vor der Kathedrale vorbei und man muss Abschied nehmen. Abschied vom Ziel und von den vielen Pilgern mit denen man eine coole Zeit hatte. Und man sei einfach auch müde. Stimmt.

Sie erzählt von ihrem Busausflug nach Finesterre, dem Ort am Meer hinter Santiago, von dem man im Mittelalter meinte, die Welt höre auf.

Ich möchte in die Kathedrale, ich habe einen Auftrag zu erledigen. Mit Rucksack darf man aber nicht rein. Also gehe ich zum Hotel und lege ihn ab. Wieder zurück, stelle ich mich in der Kathedrale in die Schlange. Ich umarme die Statue des Apostels von hinten und wünsche mir und Antonio ein langes und gesundes Leben. Zur Sicherheit zünde ich noch zwei Kerzen an und bitte um noch mehr Gesundheit.

Ich gehe in der Altstadt überteuerte Spaghetti essen und denke, jetzt ist es Zeit für´s Hotel. Lee aus Porto schickt ein Gruppenbild. Auch er, Peter, Kathrin und die zwei Brasilianerinnen sind heute angekommen. Auf dem großen Platz ist Jahrmarktstimmung. Eine große philippinische Familie feiert ausgelassen ihre Ankunft. Sie sind im Familienshirt gepilgert. Ich staune und laufe direkt in Beverly und Hugh, sie sind eben angekommen. Die beiden sind doch tatsächlich die Etappe von Padron nach Santiago in einem Rutsch gelaufen. Beverly verzeichnet 27 Kilometer auf ihrer App. Unglaublich die zwei. Wir herzen und feiern uns. Sie nehmen mich in die Mitte, like our daughter, lassen uns ablichten.

Die beiden gehen mit anderen Australiern in das nobelste Hotel der Stadt, mit der nobelsten Bar der Stadt und laden mich zum Drink ein. Das Parador de Santiago dos Reis Catolicos hätte mich für 560,-€ für zwei Nächte beherbergt.

Ich winke ab, mein Kopf pocht, ich bin so erschlagen, ich möchte nur noch ins Hotel.

Buenes Noches aus Santiago die Compostela. Ich habe es wirklich geschafft.

May I ask, what is your Inspiration for the camino?

Das ist,die am meisten gestellte Frage, neben, where do you come from. Es wird Zeit, mich dieser Frage zu stellen. Heute steht die letzte Etappe bevor, Santiago ich komme.

Schon vor zwanzig Jahren, hat mich ein Kollege, nennen wir ihn Andreas, inspiriert, den Jakobsweg zu laufen. Es war sein großer Lebenstraum und er hat dauernd davon gesprochen. Damals war mir das alles noch viel zu katholisch, er war sehr religiös motiviert. In den Mittagspausen haben wir Karten studiert, er hat mir erzählt, wie er seinen Rucksack packen möchte. Die Trekkinghosen, die durch Reißverschluß in kurz und in lang zu variieren sind, wurden damals erfunden. Er war begeistert, die ideale Hose für den Camino. Als er dann endlich seinen lange ersehnten Vorruhestand erreicht hat, ist er sofort los. Er ist den Camino Frances gelaufen und kam als völlig Anderer wieder. Er hat sich von seinem alten Leben getrennt, von Frau, Freunden, Scheibchenvilla, vermeintlich von einem Tag auf den anderen. Der Jakobsweg war für ihn ein Synonym für einen Ausbruch und Neustart. Er fand auf dem Camino Frances eine neue Lebenspartnerin, die sich wiederum von ihrem Partner trennte. Wenig danach hatte er einen schweren Fahrradunfall und ich habe den Kontakt leider verloren.

Seit dieser Zeit ist der Jakobsweg in meinem Kopf. Immer mal wieder. Als ich dann vom Camino Portugues hörte, war klar, das ist ein guter Einstieg ins Pilgern. Es sind übersichtliche 260 Kilometer und Portugal kenne ich sehr gut. Meine Krebserkrankung vor einigen Jahren spielt sicher auch eine Rolle. Habe ich doch gelernt, dass man seine Zeit gut nutzen muss und Wünsche erfüllen, so man die Möglichkeit dazu hat. Wer weiß schon, wieviel Zeit noch bleibt?

Wonach suche ich?

Ich suche nach Stille, nach alleine sein. Kann ich mit mir gut zurechtkommen?

Ich möchte wissen, wie es ist, mit wenigen Dingen zu reisen. Alles was man braucht, trägt man auf dem Rücken.

Ich möchte die Wirkungen des Laufens erfahren. Kann ich jeden Tag so viele Kilometer laufen? Wie wirkt sich das aus?

Ich suche die Schönheit der Natur. An der portugiesischen Küste zu laufen, muss wundervoll sein.

Mit meiner Krebsdiagnose habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Man weiß das alles als reflektierter Mensch auch schon vorher, aber wenn man eine lebensbedrohliche Krankheit durchlebt, erfährt man das auch emotional. Man kann es nicht nur denken, man fühlt es auch.

Alles Materielle hilft dir nichts, es ist im Angesicht des Todes unwichtig. Es ist schön, alles genießen zu können, keine Frage, es macht das Leben viel angenehmer. Der Rückschluss ist für mich auch nicht, nichts mehr besitzen zu wollen, es geht um die Einordnung, den Stellenwert und die Frage was und wieviel ich wirklich brauche. Was dich wirklich durch das Leben trägt, vielleicht auch durch den Tod, ist die Liebe. Menschliche Beziehungen. Partner, Familie, Freunde.

Ich habe noch in der Chemotherapie begonnen, das Haus von oben bis unten auszumisten. Raum für Raum. Schrank für Schrank. Schublade für Schublade. Ordnungsexperten sagen, dass man sich mit äußerer Ordnung auch eine innere Ordnung herstellt. So habe ich für mich die äußere Welt aufgeräumt. Wahrscheinlich auch die Innere, der Camino mag nur eine Fortsetzung davon sein.

Mit meinen Ayurvedakuren (das ist ein extra Blog wert) habe ich begonnen, meinen Körper aufzuräumen.

Und nun ist die Seele dran. Und ich muss sagen, dazu eignet sich das Laufen und der Camino sehr. Ich habe Gedanken und Emotionen sortiert, Kisten gepackt und vieles ohne Gram weggeworfen. Losgelassen und neu begrüßt.

Braucht man dazu einen Camino?

Ich glaube nicht, es gibt sicher auch andere Techniken dafür. Meditation, Hypnose, Laufen kann man immer. Gespräche, jeder kann seinen Camino finden.

Was den Camino so besonders macht, ist die Spiritualität, die von ihm ausgeht. Die Pilgergeschichte. Die Religion. Und die vielen Menschen mit denen man in Kontakt kommt, die ebenfalls suchen oder Fragen stellen. Die vielen intensiven Gespräche, die ich so gar nicht erwartet habe. Die magischen Orte, wie z.B. der Santiaguino do Monte, die auf einen wirken.

Und ja, ich kann gut mit mir alleine sein. Ich kann zwei Wochen problemlos mit dem Inhalt meines Rucksacks zurechtkommen. Und laufen ist Meditation. Und wir können mehr als wir glauben.

Man ist für eine Weile in einer besonderen und geschützten Umgebung und trifft auf so viel Güte und Verständnis. Man ist nur Pilger, sonst nichts, läuft diesen gelben Pfeilen nach und darf sich nur mit sich selbst beschäftigen. Was für eine gesegnete Zeit. Was für ein Luxus. Alles, woran man sonst gemessen wird, ist hier unbedeutend.

Heute geht es nach Santiago. Ich bin sehr gespannt, wie diese Kathedrale und das Ziel auf mich wirkt.

Steve aus Montana hat ganz von innen raus gestrahlt und gesagt: „I found, what I was looking for. I was looking for Goodness and I found it.“

Let´s see, was der Tag mir bringt.

Buon Camino.

Santiaguino do Monte oder die Vorpremiere Tag 14

Lage

  • Füße: Blasenalarm
  • Pilgeraufkommen: kann nur noch in Santiago getoppt werden
  • Kalorien: richtiges Frühstück vor dem Laufen
  • Wetter: ideales Caminowetter, Nebel und mittags Sonne satt
  • Stimmung: wehmütig, schon jetzt

Ja, was haben wir denn da? Eine Blase, am linken kleinen Zeh. Ich wäre wohl die erste Pilgerin gewesen, die ohne Blasen in Santiago einläuft. Ich bin ja gerüstet für diesen Fall und klebe sofort ein Blasenpflaster darauf. Ist nicht weiter schlimm.

Ich habe Glück, im Pool der ehrwürdigen Pousada ist noch Wasser und ich kann mein tägliches Eisbad nehmen. Wie die Fußballer nach einem fordernden Spiel. Es ist zwar tagsüber noch richtig warm, aber der August war wohl kein richtiger Sommer. Das Wasser der Pools hatte keine Chance sich aufzuwärmen. Ich war so schlau und habe die Caminoreise für den September geplant, weil es da nicht mehr so heiß ist. Aber der galizische Sommer hat extra auf mich gewartet. Dankeschön.

Die Pousada ist putzig, ich kann mir gut vorstellen, wie hier ehemals die Bischöfe von ihrem harten Bischofsleben ausgeruht haben. Im Gang zum Frühstücksraum steht noch eine Beichtbank, zur Deko jedoch. Das Hotel atmet Geschichte. Ich habe ein Zimmer in einem extra Gebäude im Innenhof, ebenerdig, kühl, dunkel, ruhig. Dachte ich.

Am frühen Abend höre ich laute Musik, ich trete aus meinem Zimmer und stehe mitten im Innenhof in einem Spektakel der besonderen Art. Eine galizische Hochzeit. Heute am Donnerstagabend? Da ist richtig was los. Alle sind derart herausgeputzt, dass ich denke, meinen die das Ernst? Die Frauen in den prächtigsten Roben mit Glitzer und Schuhen, für die man erstmal bei Spaniens Next Top Model teilgenommen haben muss. Die Kinder sind mit aufwendigen Frisuren aufgedonnert, Federkleidchen und Glitzer überall. Und die Männer. Schmale Hosen, Brokatsakkos, Samt, große Ringe. Kommt Harald Glöckler auch noch? Zwei Caballeros sind in weiße Reiterhosen, schwarze Reiterstiefel und schwarzem Slim Sakko gekleidet und könnten bei Zoro mitspielen.

Ich bin schwer beeindruckt, und denke, da war meine Hochzeit aber minimalistisch. Sie feiern, Männer laufen mit Gitarren umher und sie tanzen Flamenco Style. Und ich so: Pilgeroutfit.

Der Holländertrupp sitzt beim Apperitiv und staunt mindestens genauso wie ich. Ich weiß nicht was ich lustiger finden soll, die Hochzeitsgesellschaft oder die staunenden Holländer. Als die Dame von der Bar auch ihr Handy zückt und fotografiert, frage ich nach. Es ist bei weitem keine traditionelle galizische Hochzeit, it´s a gipsy wedding. Other culture. From the South of Spain.

Eine Zigeunerhochzeit. Andere Kultur. Aus dem Süden von Spanien. Und Beate mittendrin. Herrlich, nach den Tagen des frugalen Pilgerns, tut mir ein bisschen Amüsement ganz gut. Pech gehabt. Die Hochzeitsgesellschaft hat das Hotel nur für kurze Zeit überfallen. Die Braut wurde aufgebrezelt, sie haben ein Willkommensritual (Interpretation der Ethnologin) aufgeführt und sind dann in ihren Feierlichkeiten wieder abgerauscht. Auch das Hotelpersonal wusste über die Choreographie nicht Bescheid. Übrig bleiben die roten Federn auf dem Boden. Die Caballeros sind jedoch nicht auf ihren Pferden in den Sonnenuntergang geritten, sie haben das Hochzeitsauto gefahren.

Ich bin so in Feierlaune, dass ich das Abendessen ausfallen lasse und stattdessen zwei Gläser Vino Blanco trinke. Die Oliven dazu machen auch satt.

Heute gehe ich ja ein bisschen spazieren. Meine Tagesetappe sind zehn Kilometer. Da muss ich nicht wieder in der Dunkelheit los. Es ist ein Frühstück drin. Der Holländertrupp sitzt schon mit Handgepäck pilgerbereit da und hat die Koffer schon im Foyer deponiert. Da hätte ich in meiner freien Zeit wahrlich keine Lust zu, wieder nach der Uhr leben.

Ich spaziere fröhlich los, das Blasenpflaster leistet gute Arbeit und ich gehe zurück nach Padron zum Camino. Wait. In meiner gelben Bibel ist die Wallfahrt zum Santiaguino do Monte beschrieben. Ein paar Meter neben dem Fuente del Carmen (Carmenbrunnen) beginnen die 114 Stufen zu dem Ort, an dem der Apostel Jakobus seine erste Predigt auf spanischem Boden gehalten haben soll. Die 114 Stufen soll man der Legende nach ohne Pause bewältigen, sonst kommt man nicht in den vollen Genuß der Gnade und Vergebung.

Soll ich da mit meinem Rucksack wirklich hoch? Natürlich stapfe ich hoch und achte peinlichst darauf, in einem Fluß zu gehen. Sonst wäre das ganze ja umsonst. Wenigstens sagt die Legende nicht, dass man da mit den Knien hochrutschen muss. Oben lese ich, dass das die Pilger im 16. Jahrhundert tatsächlich gemacht haben.

Ich bin völlig alleine mit mir und der Welt, die Pilger sind schon auf der Pilgerautobahn. Es ist ein magischer Ort im Morgennebel. Als ich schließlich vor der Santiaguino Statue stehe, bete ich, wünsche meinem verstorbenen Vater Liebe und Frieden, wo immer er auch jetzt ist und weine. Keine Ahnung warum.

Der Weg heute ist nicht besonders schön. Das soll die Schlussetappe sein? Von Padron bis Santiago kann man in einem Tag gehen, es sind ungefähr 24 Kilometer. Ich habe es in zwei Etappen aufgeteilt. Ich möchte morgen ausgeruht in Santiago ankommen und nicht völlig zerstört in die Kathedrale einbiegen.

Eine deutsche Schulklasse pilgert an mir vorbei. Sie machen eine Studienreise. Sind nach Porto geflogen und laufen die letzten drei Etappen des Camino nach Santiago. Hut ab, vor den Lehrern und vor den Schülern. Es sind die üblichen Schülergespräche. Vorne und in der Mitte die mustergültigen Schüler, hinten eher Fack Ju Göhte mit Ghettoblaster und weißer Handtasche.

Ich rufe sofort Jonathan an, habe ihn so lange nicht gesprochen. Ich vermisse ihn.

In einem Café nehme ich mein zweites Frühstück ein. Ein deutsches Ehepaar verursacht Wirbel. Sie haben ihr Gepäck stehen lassen. Sie sind ganz aufgelöst. Die freundliche Spanierin des Cafés regelt alles. Die älteren Herrschaften sind erleichtert. Don und John kommen herein, die zwei lustigen Iren, mit denen ich gestern ein bisschen gelaufen bin. Ich habe ihnen gesagt, dass der Camino eine Sliming Machine ist, sie haben laut gelacht und gemeint, dass es eher eine Alcohol Machine wäre. Die Portugiesin sitzt auch schon da, die gestern so gejammert hat und ich dachte man müsse einen Notarzt für sie holen. Are you ok today? Oh yes, much better. Ihr Pilgerführer/Partner/Begleiter lächelt wissend: es ginge ihr wegen ihm besser, er habe sie lange massiert.

Als dann noch Elsa und Linroy aus Australien reinkommen, denke ich, wie wird das erst in Santiago. Treffe ich alle wieder mit denen ich gelaufen bin?

In Teo verlasse ich den Camino und gehe zum Hotel, das drei Kilometer entfernt liegt. Ich laufe in der Sonne schwitzend den Berg hoch, als eine Spanierin neben mir hält. Sie glaubt ich habe mich verlaufen, hier könne man nicht laufen, kein Camino. Ich zeige ihr wo mein Hotel ist, sie kennt es nicht. Cornide? Kennt sie nicht. Ob sie hier wohne? Ja, natürlich. Ich solle doch mal da unten am Haus klingeln, die wüssten sicher Bescheid. Klar, da, wo die zwei großen Schäferhunde auf ihr Mittagessen warten. Ein Auto kommt den Berg herunter, sie fragt, ob die wüssten, wo Cornide sei? Si, si, den Berg hoch und dann links. Die freundliche Spanierin fragt, ob sie die verschwitzte Pilgerin ins Hotel fahren soll, natürlich, ich lasse mich auf den Beifahrersitz fallen.

Leider nicht. War gelogen. Sie Spanierin steigt, sich entschuldigend und achselzuckend, in ihr kleines Auto ein und düst davon. Lässt mich verdattert in der Sonne stehen, es ist noch ein Kilometer zu meinem Hotel.

Der Umweg hat sich gelohnt. Es ist das schönste Hotel auf der ganzen Pilgerreise. Ein richtiges Zimmer mit großem Badezimmer, richtigen Möbeln, geräumig. Wie jeden Tag, wasche ich meine Klamotten und mich und lege mich zum Schlummern hin. Am Ende bin ich doch wieder 17 Kilometer gelaufen.

Buenes Noches aus Carnide/Teo

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