Wir haben uns in Sylt getroffen. Wir waren beide in der Nordseeklinik zur Reha, sie mit abgeschlossener Lungenkrebsbehandlung, ich mit beendeter Brustkrebsbehandlung. Wir waren beide wieder gesund, es galt die seelischen und körperlichen Wunden der Diagnose zu verarbeiten. Ich tat mich schwer in der Klinik, die Nordseeklinik liegt direkt in Westerkamp hinter den Dünen und alles war wunderbar, aber in so einer Rehaklinik herrschen eigene Gesetze. Da waren diese vielen kranken Menschen. Ich war mein Leben lang gesund und nicht ernsthaft krank gewesen und dann waren da so viele schwer kranke Menschen. Das hat mich geschafft.

In der Klinik bekam man zum Essen einen Sitzplatz zugewiesen, man durfte nicht einfach sitzen, wo man wollte und vor allem nicht, mit wem man wollte. Ich war schon eine Woche da, als Gabi mit Ihrem schweren Schicksal kam. Ihr Platz wurde mir gegenüber zugeteilt. In einer Rehaklinik ist es wie auf dem Camino. Man hält sich nicht mit Smalltalk auf, man ist gleich mittendrin. Gabi verlor ihren Mann vor ungefähr 20 Jahren an den Krebs und ihr Leben war nicht mehr wie vorher. Sie haben sich sehr geliebt, alles war im Lack und sie dachten, es geht immer so weiter. Tut es aber nicht. Er starb den Krebstod, den wir alle im Kopf haben, Diagnose, Metastasen schon im ganzen Körper und ein halbes Jahr später ist alles vorbei.

Gabi hatte mit einer Fehlbehandlung zu kämpfen. Nach ihrer Lungenoperation wurde bei einer sehr schmerzhaften Untersuchung vom Arzt vergessen, Schmerzmittel zu verabreichen. Sie kam nach Sylt und hatte große Angst vor den Therapien.

Wir haben uns gegenseitig unterstützt und uns wieder ins Leben zurück geholt. Wie wir das gemacht haben? Wir haben sehr viel gelacht und gemeinsam gut gegessen. Die Nordseeklinik ist eine renommierte Rehaklinik, bei dem Essen kann man jedoch nicht gesund werden. Wir sind in die Sansibar und haben Trüffelpizza und Fischsuppe gegessen. Gabi ist Feinschmeckerin und großer Frankreichfan. Diese Fischsuppe in der Sansibar, hat sie zurück geholt, ich habe den Moment noch vor mir. Raus aus der Krankheit und zurück ins Leben.

Wir haben Muscheln in Hörnum gegessen, Weißwein dazu getrunken und Kuchen in der Kupferkanne geschlemmt.

Ich habe Gabi von meinem Wunsch den Camino zu laufen erzählt. Sie hat gespürt, was mir das bedeutet. Zum Abschied schenkte sie mir eine feine Tafel Ingwerschokolade und dieses Reisenotizbuch für den Camino.

Mein Rucksack ist schwer und ich schreibe kaum noch analog, aber dieses Reisenotizbuch schleppe ich von Albergo zu Albergo. Gabi ist bei jedem Schritt dabei und in meinem Herzen.