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Schlagwort: Tui

Der gepackte Rucksack

Der Rucksack und die Schuhe sind entscheidend für das Vorhaben, den oder einen Camino zu laufen.

Man kann natürlich auch einen Gepäckservice nutzen, ich habe sehr viele getroffen, die das gemacht haben. Alle fanden jedoch, dass dies ein aufwendiges Unterfangen ist, nicht alle Unterkünfte bieten das an, bzw. lassen es zu. Manche haben morgens erstmal ihr Gepäck in ein Hotel gebracht, bei dem ein Gepäckservice organisiert war.

Wenn man Pilgern möchte, dann nur mit Rucksack. Man kann nicht so ungezwungen in den Tag laufen, wenn man erstmal sein Gepäck organisieren muss. Es muss morgens schon klar sein, wohin das Gepäck transportiert werden soll. Spontanität ist eher nicht.

Der Rucksack soll ungefähr 10 % deines Körpergewichts ausmachen. Auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen. Manche sagen 15 %. Meiner war also viel zu schwer. Trotzdem hatte ich, aus meiner Sicht, nichts Überflüssiges dabei.

Die ersten Tage hatte ich große Probleme mit dem Rucksack, ich hatte Rückenschmerzen und der Rucksack baumelte. Ich brauchte ein bisschen, um die richtige Einstellung herauszufinden. Bald gehörte er schon fast zu meinem Körper.

Ich empfehle unbedingt einen Profirucksack zu kaufen, der das Gewicht auf die Hüften stellt und sich deinem Körper optimal anpasst.

Gepäck

Kleidung, Schlafen

  • Schlafsack, wenn man in Pilgerherbergen übernachten möchte
  • Schlafmaske, nicht lachen, war total hilfreich in Hotelzimmern, die nicht dunkel sind
  • Schlafanzug
  • 1 Mikrofaser Handtuch (leicht)
  • Trekkingsandalen oder Flip Flops als Alternative zu den Wanderschuhen, abends brauchen die Füße Luft
  • 2 T-Shirts, ich hatte drei dabei, zwei hätten gereicht
  • 1 Trekkingbluse
  • 2 Sport-BHs
  • 3 Unterhosen
  • 2 Paar Socken, ich habe mir hochwertige Kompressionsstrümpfe aus dem Sportgeschäft geholt
  • 1 lange Hose
  • 1 Leggins 3/4 Länge
  • 1 Wanderrock, fand ich super, weil eine kurze Leggings unter dem Rock ist, es gibt kein Reiben
  • 1 leichte Windjacke
  • 1 Regenjacke
  • 1 Basecap
  • 1 warmer Sportpulli mit Reißverschluss

Basics

  • Handy, habe ich oft für Google Maps gebraucht und um Hotels zu buchen, war wichtigstes Tool, Photos!
  • Powerbank
  • Ladekabel
  • Ausweis, Reiseunterlagen
  • Camino-Führer
  • schlanke Hüfttasche: hier passten Handy, Ausweis, Geld, Kreditkarten und Pilgerausweis rein. War sehr praktisch. Ich hatte immer die Hände frei und konnte nichts vergessen oder liegen lassen

Köperpflege

  • Hirschtalgcreme, jeden Morgen die Füße dick eincremen, bestes Mittel gegen Blasen
  • Sonnencreme
  • Körperbutter, die Haut ist durch Staub und Hitze sehr beansprucht
  • Dusch-, Wasch- und Haargel in einem
  • Gesichtscreme
  • Lippenstift, war neben der Gesichtscreme der einzige Luxus
  • Medikamente
  • Wundcreme, Proficreme für Radfahrer

Das Einzige, was ich wirklich gar nicht gebraucht habe, war das Taschenmesser. Es ist wirklich erstaunlich, mit wie wenig man klar kommen kann. Steve Jobs, Mark Zuckerberg und all die anderen Menschen, die täglich viele Entscheidungen treffen müssen, tragen immer dasselbe. Wir erinnern uns an Steve Jobs schwarzen Rollkragenpullover. Sie wollen ihre Entscheidungsfähigkeit und Zeit, nicht mit unwichtigen Entscheidungen, wie Kleidung, belasten.

In der Tat ist es befreiend, morgens zwischen Wanderrock und Leggins zu wählen und das Wahlkriterium ist das Wetter. An allen Geschäften läuft man fröhlich vorbei, einkaufen ist nicht, denn man kann nicht mehr tragen. Sollte ich mir zukünftig beim Konsumieren die Frage stellen: kann und möchte ich das tragen? Dieses Gefühl der Freiheit möchte ich mit in meinen Alltag nehmen.

Buon Camino im Alltag!

Gabi und der Camino

Wir haben uns in Sylt getroffen. Wir waren beide in der Nordseeklinik zur Reha, sie mit abgeschlossener Lungenkrebsbehandlung, ich mit beendeter Brustkrebsbehandlung. Wir waren beide wieder gesund, es galt die seelischen und körperlichen Wunden der Diagnose zu verarbeiten. Ich tat mich schwer in der Klinik, die Nordseeklinik liegt direkt in Westerkamp hinter den Dünen und alles war wunderbar, aber in so einer Rehaklinik herrschen eigene Gesetze. Da waren diese vielen kranken Menschen. Ich war mein Leben lang gesund und nicht ernsthaft krank gewesen und dann waren da so viele schwer kranke Menschen. Das hat mich geschafft.

In der Klinik bekam man zum Essen einen Sitzplatz zugewiesen, man durfte nicht einfach sitzen, wo man wollte und vor allem nicht, mit wem man wollte. Ich war schon eine Woche da, als Gabi mit Ihrem schweren Schicksal kam. Ihr Platz wurde mir gegenüber zugeteilt. In einer Rehaklinik ist es wie auf dem Camino. Man hält sich nicht mit Smalltalk auf, man ist gleich mittendrin. Gabi verlor ihren Mann vor ungefähr 20 Jahren an den Krebs und ihr Leben war nicht mehr wie vorher. Sie haben sich sehr geliebt, alles war im Lack und sie dachten, es geht immer so weiter. Tut es aber nicht. Er starb den Krebstod, den wir alle im Kopf haben, Diagnose, Metastasen schon im ganzen Körper und ein halbes Jahr später ist alles vorbei.

Gabi hatte mit einer Fehlbehandlung zu kämpfen. Nach ihrer Lungenoperation wurde bei einer sehr schmerzhaften Untersuchung vom Arzt vergessen, Schmerzmittel zu verabreichen. Sie kam nach Sylt und hatte große Angst vor den Therapien.

Wir haben uns gegenseitig unterstützt und uns wieder ins Leben zurück geholt. Wie wir das gemacht haben? Wir haben sehr viel gelacht und gemeinsam gut gegessen. Die Nordseeklinik ist eine renommierte Rehaklinik, bei dem Essen kann man jedoch nicht gesund werden. Wir sind in die Sansibar und haben Trüffelpizza und Fischsuppe gegessen. Gabi ist Feinschmeckerin und großer Frankreichfan. Diese Fischsuppe in der Sansibar, hat sie zurück geholt, ich habe den Moment noch vor mir. Raus aus der Krankheit und zurück ins Leben.

Wir haben Muscheln in Hörnum gegessen, Weißwein dazu getrunken und Kuchen in der Kupferkanne geschlemmt.

Ich habe Gabi von meinem Wunsch den Camino zu laufen erzählt. Sie hat gespürt, was mir das bedeutet. Zum Abschied schenkte sie mir eine feine Tafel Ingwerschokolade und dieses Reisenotizbuch für den Camino.

Mein Rucksack ist schwer und ich schreibe kaum noch analog, aber dieses Reisenotizbuch schleppe ich von Albergo zu Albergo. Gabi ist bei jedem Schritt dabei und in meinem Herzen.

Bye Portugal and Hello Friends Tag 9

Lage

  • Füße: dürfen heute an die Luft
  • Pilgeraufkommen: deprimierend, aber selbst Schuld, da Wochenende
  • Kalorien: herrlich
  • Wetter: perfektes Beachwetter
  • Stimmung: dankbar für die Geschenke der Freundschaft

Es ist erstaunlich. Ich wache wieder ausgeruht und fröhlich auf. Packe meine Sachen zusammen und freue mich auf den schönsten Teil des Tages. Morgens loszulaufen ist ein unglaubliches Gefühl der Freiheit und des Glücks. Ich habe alles, was ich brauche bei mir auf dem Rücken und kann gehen wohin ich möchte.

Ich habe in Valenca übernachtet. Die Ponte International führt von da nach Galizien in Spanien. Heute heißt es, Abschied nehmen von meinem geliebten Portugal. Adeus. Ich laufe durch das Fortaleza Valenca, eine unglaublich schöne erhaltene Festungsanlage mit einer schönen Altstadt. Ich kann mich kaum lösen und verabschiede mich in einem schönen Café mit einem Galao und einem Pastel de Coco, obwohl ich kaum Zeit habe. Denn ich habe ein Date.

Eigentlich bin ich nicht hungrig, denn ich habe gestern Abend schon gebührend Abschied gefeiert. Ich bin, in ein vom Hotel empfohlenes Restaurant gegangen und habe mal so richtig ordentlich gegessen. Frango Assado, Salada con azeitonas und ein Bier dazu. Ja, für den erstaunten Leser: ich habe ein Bier getrunken. Und es war unglaublich lecker.

Im Restaurant saßen die vier Österreicher und haben auch schon geschlemmt. Sie fanden den Weg gestern auch sehr anstrengend, haben abgekürzt und sind den Rest mit dem Taxi gefahren. Morgen wollen sie einen Tag Pause in Tui machen. Sie haben viel Zeit.

Ich jedoch, muss rüber nach Spanien, über die Brücke. Es ist ein Spiel. Als ich im Café sitze überholen sie mich wieder. Ich lache und sage, dass ich sie schon wieder einholen werde. Wir Deutsche und Österreicher sind schon reservierter als andere Nationen. Gestern Abend bin ich im Restaurant dazugestoßen. Jede Nation hätte mir einen Platz am Tisch angeboten, ich saß schließlich alleine am Tisch. Was für mich überhaupt kein Problem ist, wie sich herausstellt.

Vor zwei Dingen hatte ich im Vorfeld zwar keine Angst, aber doch Respekt. Vor wilden Hunden und vom alleine Essen. Beides ist überhaupt kein Problem. Ich habe heute früh den ersten wilden Hund getroffen und war wirklich souverän. Sabine, die Tierärztin, wäre derart stolz auf mich gewesen. Um die Dinge gerade zu rücken: ich habe mein Caminotempo beschleunigt und mich eiligst aus dem Staub gemacht.

Heute früh war in meiner Mailbox eine Nachricht von Mariesu. Ich wäre ja nun in der Nähe, ob wir uns heute sehen wollen?

Ich habe mich sehr, sehr gefreut. Mein Sohn Jonathan war vor vier Jahren zum Schüleraustausch in Gondomar und ich habe den Eltern von Nicolas geschrieben, dass ich den Camino Portugues laufen möchte. Mariesu hat meine Strecke verfolgt und mich in ihr Haus eingeladen.

Wir wollen uns in Tui an der Kathedrale treffen. Wie cool ist das denn? Ich muss nicht lange überlegen und sage sofort zu. So laufe ich zwar mit einer großen Saudade für Portugal im Herzen über die Brücke, aber auch voller Vorfreude auf Mariesu und Luis, die ich noch gar nicht kenne. Nur von whatsApp. Um 10 an der Kathedrale also.

Ich stifte noch kurz Verwirrung, weil ich merke, dass es in Spanien bereits eine Stunde später ist. Mariesu regelt das mit spanischer Gelassenheit: treffen wir uns eben nach portugiesischer Zeit. Bei meiner Strecke am Minho hat mich die Uhrzeit auch einige Male verwirrt. Je nachdem, ob ich nun spanisches oder portugiesisches Netz hatte, war eine Stunde Unterschied.

Es sind nur 4 Kilometer bis zur Kathedrale und ich schaffe es, mich nicht zu verlaufen und keine Überkilometer zu machen. Ich sitze im Café an der Kathedrale, trinke einen Café con leche und bin sehr gespannt.

Da kommen die beiden, setzen sich zu mir und vom ersten Augenblick ist es eine Wellenlänge. Luis beschäftigt sich mit galizischer Geschichte, was sage ich, er weiß alles und ich bekomme eine Privatführung durch die Kathedrale von Tui.

Die Pilgerin mit dem Historiker Luis

Sie schlagen vor, nach Baiona und A Guarda zu fahren, dort was zu essen, auf den Monte Santa Trega zu fahren und zum Schluß am Praia America zu baden. Ob ich denn meinen Weg unterbrechen könnte? Na, und ob ich das kann! Wochenende. Ich storniere mein Mehrbettzimmer in einer Unterkunft und freue mich auf alles was kommen wird. Heute soll es wieder so heiß wie gestern werden, da ist mir die Auszeit willkommen. Luis fährt mich morgen zum Camino zurück und ich kann meinen Weg fortsetzen.

Wir fahren erstmal „nach Hause“ und ich kann meinen Rucksack ablegen. Als ich die Treppe zum Gästezimmer hochlaufe, glaube ich gar nicht was ich sehe. Es gibt eine „Wall of Friends“ und da hängen Bilder von Jonathan und Nicolas und auch ein Bild unserer Familie mit Nicolas auf dem Stuttgarter Fernsehturm. Das ist ein herzerwärmender Moment. Ich laufe von Porto nach Tui, von Portugal nach Spanien, komme als Gast in ein Haus in Galizien und da hängt ein Bild von mir. Es war nicht meine beste Zeit, als Nicolas bei uns war. Ich war mitten in meiner Chemotherapie und auf dem Bild trage ich meine Perücke. Und so hänge ich an der „Wall of Friends“. Da muss ich mir glatt ein paar Tränen verdrücken.

Ich ziehe meine Wanderstiefel aus und schlüpfe in meine Trekkingsandalen, ziehe noch schnell die Socken durchs Waschbecken und schon geht es los.

Mariesú und Luis, Monte Santa Trega

Ich habe es beim Laufen auf dem Radweg am Minho entlang öfters bedauert, nicht den Küstenweg in Spanien weitergelaufen zu sein. Jetzt fahren wir ihn bis A Guarda, gehen im Restaurante Chupa Ovos köstliche Meeresfrüchte essen, trinken eine Flasche Weißwein dazu und ich leuchte nicht nur von innen. Wir fahren zum Monte Santa Trega und ich kann die ganze Strecke von oben sehen, die ich in der letzten Woche gelaufen bin. Ich bin von mir selbst beeindruckt. Aber auch hier sei gesagt, dass ich mit meinen 20 Kilometern am Tag den Camino-Schnitt wirklich drücke.

Zum Abschluss dieses wunderschönen Tages, geht es noch zum Schwimmen am Praia America, endlich schwimme ich im Atlantik und die Wassertemperatur ist so, dass Mariesu mir den Orden „real Galizian Woman“ verleiht. Sie selbst badet nicht.

Wieder daheim, schließt mich Pinto, der süße Hund der Familie ins Herz und er liebt mich aufrichtig, nicht etwa den Serranoschinken auf dem Tisch.

Buenas Noches do Gondomar.

© 2024 Beate Mäusle

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