Autorin

Monat: September 2019 (Seite 7 von 10)

Where have all the Pilgrims gone? Tag 6

Lage

  • Füße: ich hätte niemals gedacht, dass die nochmal zu benutzen sind
  • Pilgeraufkommen: sehr niedrig, wo sind die alle? Bin ich auf dem falschen Weg?
  • Kalorien: kanadische, Pilger laden mich zur Rast ein, jedoch Gesundheitsfreaks
  • Wetter: sonnig, warm, windig
  • Stimmung: irgendwie pervers, ich freue mich auf das Laufen

Das Problem beim Pilgern ist ja, dass man kein Auto dabei hat. Gestern Abend musste ich noch vom Restaurant ins Hotel laufen, ich hätte nicht gedacht, dass das noch möglich ist. Mein Zimmer war mit Blick auf die Ponte Eiffel, ich hatte also mein Martyrium direkt vor den Augen. Unter der Brücke sind Tennisplätze, wo noch bis 12 Uhr nachts gespielt wurde.

Blick aus dem Hotel

Beim Frühstück treffe ich wieder Beverly und Hugh. Wir haben wieder zufällig (es gibt keine Zufälle auf dem Camino) dasselbe Hotel gebucht. Beverly ist nicht gut drauf. Ihre Füße sind einen einzige große Blase. Sie hat alle Blasenpflaster verheizt, die sie dabei hatte.

Ich erzähle ihr von meiner Hirschtalgsalbe und meinen Socken. Es ist unglaublich, dass ich noch keine Blase habe. Wenn du nicht weißt, was du mit einem Pilger reden sollst, Füße gehen immer. Gerne.

Wir tauschen endlich Telefonnummern aus, hätten wir sie vorher schon gehabt, hätten wir gemeinsam ein Appartment für heute Abend gebucht. Wie es der Zufall (?) will, haben wir beide in Vila Praia de Ancora, nicht weit auseinander, eine Unterkunft für heute Abend gebucht. Das ist das Tagesziel. Heute sind es nur 18 Kilometer. Dass ich dafür überhaupt die Wanderstiefel anziehe und den Rucksack schultere. Am Ende sind es wieder 22 Kilometer, weil ich mich a) nicht gleich für den Weg entscheiden kann und b) unorientiert durch Viana trabe. Gut, dass ich das noch nicht weiß.

Ich freue mich, als ich loslaufe, bin frisch und es tut tatsächlich nichts weh. Die Finger sind ein bisschen verstaucht, aber die brauche ich heute ja nicht.

Ich irre durch Viana, ehe ich mich der Lektüre des Caminoführers hingebe. Hätte ich das nur gestern gemacht, es gibt drei Varianten für den Camino. Ich entscheide mich für den Weg durch die Wälder und finde tatsächlich den Aufstieg dazu. Die werden mich doch hoffentlich nicht zu der Kirche Santa Luzia hochschicken?

Als ich in eine schmale Gasse bergauf einbiegen möchte, spricht mich ein Portugiese an. Ob ich nach Santiago möchte? Ich soll nicht da hoch gehen, viel zuviel bergauf und bergab, ich soll am Meer gehen. Da sei es eben und viel schöner. Na super. Jetzt habe ich endlich den versteckten Weg gefunden und soll nun wieder runter ans Meer?

Ich höre ja. Ich mache, was man mir sagt und navigiere zum Meer und ich werde belohnt. Es gibt Schwimmbecken im Meer, wie ich das schon auf Bildern in Sydney gesehen habe. Bis jetzt habe ich lediglich eine Pilgerin aus der Ferne gesehen. Wo sind die denn alle? Ich vermisse sie. Es fehlt das Gefühl, in die richtige Richtung zu gehen und ich kann nicht einfach hinterherlaufen. Egal die Richtung stimmt. Das Meer ist links von mir, daran kann ich mich orientieren. Ganz einfach ist das.

Ich komme an einem Steinablageplatz vorbei und da ist sie! Eine Pilgerin. Sitzt ruhig da, hat die Schuhe ausgezogen und träumt vor sich hin.

Darf ich vorstellen? Mireille aus Quebec. Ethnologin, tätig im Gesundheitsbereich, „I also worked in the fields „ im Auftrag von französischen Universitäten. Sie hat viele Aids-Projekte geleitet. Ihr letzter Einsatz war in Bamako in Mali. Nun ist sie pensioniert und hat sich einen Flug nach Lissabon gebucht. Sie möchte nach Santiago spazieren. Ich habe tatsächlich jemand getroffen, der noch langsamer läuft als ich. Danach fliegt sie nach Rom, wo sie mindestens vier Wochen bleiben möchte. Sie hat noch keine weiteren Tickets gebucht.

Wir trinken gemeinsam einen Café und essen ein Pastel de Bacalhau und überlegen welche Route wir gehen wollen. Ich lade sie zum Café ein und sie freut sich. Sie hat sich ein Leben lang um Menschen in schlimmsten Bedingungen gekümmert, jetzt ist sie dran. Es ist ihr erster Tag auf dem Camino, sie möchte es langsam angehen lassen. Ihre Füssetheorie sieht vor, dass sie jede Stunde ihre Schuhe auszieht und die Socken regelmäßig wechselt. Wenn die Füße in den Wanderschuhen vor sich hin feuchten, sei das gar nicht gut. Gar nicht gut. Blasen gibt das. Ich erzähle ihr meine rustikale Theorie: morgens die Füße mit Hirschtalgcreme ordentlich eincremen, immer die gleichen Socken an und bloß tagsüber die Schuhe nicht ausziehen. Mireille ist sprachlos, schaut immer wieder meine Füße an und schüttelt mit dem Kopf „you didńt change your socks“? So bin ich bereits (!!) 110 Kilometer blasenfrei gelaufen.

Wir suchen den Übergang vom Meerweg zum richtigen Camino. Zwei Frauen, zwei Caminoführer, zweimal Google Maps. Wir sind so ins Gespräch über Religionen vertieft, dass wir gar nicht merken, dass wir an der Nationalstraße entlanglaufen. Ich wäre gerne gläubig, leider steht mir mein Verstand im Weg. Sie hat sich ein Leben lang um hilfsbedürftige Menschen in Afrika gekümmert und glaubt nicht an die Religionen. Bevor wir das weiter vertiefen, kümmern wir uns erstmal um den Weg. In Paco finden wir den Anschluss. Mireille muss nur noch nach Afife. Sie ist aber mit dem Weg nicht einverstanden und wir verabschieden uns herzlich. Buon Camino Mireille. Ich glaube, ich war ihr zu schnell. Ich. War. Zu. Schnell.

Nun bin ich wieder Einzelpilger. Keiner weit und breit. Es gibt genügend Wegweiser, ich bin also richtig. Der Weg führt durch die schönsten Eukalyptuswälder. Ich pflücke mir zwei Zweige. Meine Italienischlehrerin schreibt mir, dass ich nicht crazy bin, Blumen herumzuschleppen. Sie wirken heilend. Nicht aber die Zweige. Meine Arme werden von Mücken zerstochen, die Mücken lieben den Duft von Eukalyptus, wie ich auch. Von wegen healing.

Der Weg erinnert an Walweege in Südtirol. Es ist das ländliche Nordportugal. An einem Haus bellen zwei große Hunde und ich bleibe ängstlich stehen. Sie rennen auf mich zu. Ich sehe nicht, dass sie hinter einem Zaun sind. Ein Vater mit seinem Sohn kommt auf mich zu und ich frage ihn in feinstem Portugiesisch, ob der Tee auch wirklich nichts macht. Chá heißt auf portugiesisch Tee und ich habe es mit dem französischen Chien, der Hund, verwechselt. Die beiden lachen bis ihnen die Tränen kommen.

Ich bin immer noch der einzige Pilger weit und breit. An einem Haus stehen Pfirsiche und Äpfel zum Mitnehmen für Pilger bereit. Drei Frauen essen gemeinsam zu Mittag. Ich soll soviel nehmen wie ich will. Sie hätten auch eine Toilette. Die junge Frau am Tisch hat den Camino letztes Jahr gepilgert, sie wisse, was das bedeutet. Ich bin gerührt und hungrig und verhafte sofort einen biologischen Apfel und einen Pfirsich.

Schon wieder geht es bergauf. Eine Japanerin kommt auf mich zugerannt, wie auf der Flucht. Ich frage, ob das der falsche Weg ist. No, no, light wlay, light wlay, I just töln wlay. Aha. Ich glaube sie muss aufs Klo.

Es ist schon wieder Nachmittags um drei. Mein Plan geht nicht auf, ich wollte doch bereits am Meer liegen, wozu habe ich sonst ein Appartment für mich alleine direkt am Strand gebucht?

Ich bin etwas geknickt, weil ich denke, dass ich so ende wie gestern und schon kommt die Wende. Ich laufe einen schönen Weg an Reben vorbei bergab und da sitzt eine Gruppe Pilger. Sie laden mich zur Rast ein und ich setze mich gerne dazu. Und woher kommen Sie? Aus Quebec. Es ist der Tag der Kanadier.

Gestärkt an Geist und Körper gehe ich meine letzten Kilometer und finde mich an einem atemberaubend schönen Strand wieder.

Boa Noite.

We can be heros for just one day

Mein Sturz an Tag fünf war auch wieder so ein Camino Hokuspokus. Es war bisher mein härtester Tag. Ich war so kaputt, dass ich ein Stück mit dem Bus fahren wollte. Die Verbindung war so schlecht, dass erst abends wieder ein Bus gefahren wäre. Also bin ich weitergelaufen. Es blieb mir nichts übrig.

Der Weg war sehr bergig, es war warm und ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich bin einen steinigen und sandigen Weg steil abwärts gelaufen und habe mich wohl kurz nicht konzentriert. Bei Kilometer 20,8 bin ich ausgerutscht. Ich bin auf die Hand, den Ellbogen und die Hüfte gefallen. Der Rucksack hat mich aufgefangen. Sein Gewicht hat mich nach hinten geworfen und so lag ich kafkaesk auf dem Rücken. Der Pilgermaikäfer im Staub. Ich wäre am liebsten liegen geblieben. Irgendwann wäre jemand vorbeigekommen und hätte mich zugedeckt. Keinen Schritt mehr laufen müssen.

Von oben kam ein junger Pilger den Berg herunter. Er fragte nicht, ob ich Hilfe brauche und hat mir nicht aufgeholfen. Also habe ich mich aufgerappelt, meine Brille im Sand gesucht, die glücklicherweise nicht kaputt war.

Ich lief weiter zur Ponte Eiffel. Mein Blick fiel, auf eine für den Jakobsweg typische Ansammlung von Memorabilien. Meist sind es Steine. Im Mittelalter wurden Verbrecher zu einer Wallfahrt zum Grab des Apostels Jakobus nach Santiago verurteilt. Je nach Schwere der Tat, trug ihnen der Richter auf, einen Stein mitzutragen, als zusätzliche Buße.

Heute bringt der Pilger einen Stein aus seiner Heimat mit, legt ihn ab und damit die Sorgen und Last, die er auf den Camino mitbringt.

Ich sah nur diesen einen Stein, der unscheinbar am Rand lag.

We can be Heros just for one day, stand auf einem Stein geschrieben, auf den mein Blick fiel. Ist das ein Zufall?

Dieser Stein fütterte mich, gab mir Kraft. Ja, ich bin für heute eine Heldin. Ich falle, stehe auf und laufe weiter bis ich in meinem Hotel bin. Ich gehe Schritt für Schritt und singe „I am a Hero for today“. Am Ende bin ich 24 Kilometer gelaufen.

Der Camino gibt dir nicht das was du willst, sondern das, was du brauchst.

Unbekannter Pilger

Der Camino hat wieder zu mir gesprochen. Ganz deutlich.

Antonio, Anka, Angelika und die Motivation für den Camino Tag 5

Lage

  • Füße: keine Blasen, müde
  • Pilgeraufkommen: hoch
  • Kalorien: tagsüber übersichtlich, Abends Trostessen
  • Wetter: windig, Wechsel von kalt und warm
  • Stimmung: morgens immer euphorisch, wechselt tagsüber, bei Kilometer 20,8 am Tiefpunkt

„I love you doing the Camino with your pearl earrings“, kann man morgens schöner begrüßt werden? Beverly lächelt mir warmherzig zu. Wir frühstücken gemeinsam in einem spärlich beleuchteten Frühstücksraum, der an Scheußlichkeit kaum zu überbieten ist. Egal, ich habe die Nacht gut überstanden, bin weder umgebracht noch vergewaltigt worden und habe sogar verschlafen. Ich bin doch tatsächlich erst um sieben Uhr aufgewacht. Für einen Pilger viel zu spät! Zumindest für einen deutschen Pilger.

Heute habe ich 24 Kilometer bis Viana do Castelo vor mir. Ich habe mir schon mal vorsorglich eine Buslinie von Anha nach Viana rausgesucht. Bei Kilometer 18 bin ich meist im Eimer. Ich muss ja gar nichts. Ich kann mir jederzeit ein Taxi nehmen oder mit dem Bus fahren.

Der Weg beginnt am Meer, ich steige beim Luxushotel ein, wo ich gestern am Pool geschwommen bin.

Es ist etwas peinlich, aber heute, am vierten Tag, habe ich endlich raus, wie der Rucksack am besten sitzt und mir keine Probleme mehr macht. Ich laufe leicht los.

Ich schlendere durch ein beschauliches Dorf. Radpilger zischen an mir vorbei. Ich hole einen alten, schlurfenden Portugiesen ein. Ich spüre sofort eine Verbindung. Er spricht mich an. Es ist Antonio.

Antonio, 83 Jahre alt, ist letztes Jahr den Camino gelaufen

Er spricht im besten, gewähltesten Englisch, was ich wahrlich nicht vermutet hätte. Antonio ist katholischer Priester und Missionar im Ruhestand. War in München, Afrika und Kalifornien im Einsatz. 30 Jahre lang hat er zwischen Los Angeles und San Diego Kirchengemeinden betreut. Jetzt ist er im Ruhestand. Er fragt mich aus, will alles wissen. Ob ich alleine laufe? Verheiratet bin, Kinder habe? Was ich arbeite? Ob ich viel reise? Ob ich keine Angst habe? Das wollen alle wissen, gestern hat mich eine ältere Portugiesin gefragt. Nein, habe ich nicht. Ich erzähle ihm, dass mein Vater gestorben ist. Er nimmt mich in den Arm. Sein Vater ist 92 geworden. „I have 9 years more to go“ Er erzählt von Messen oben auf dem Berg, bei der Wallfahrtskirche, die er gehalten hat. Ich sage ihm, dass ich mich auf die Pilgermesse (ich?) in Santiago freue. Und schon habe ich einen wichtigen Auftrag. In der Kathedrale in Santiago soll ich um den Altar herum laufen, zur Statue des Heiligen Jakobus gehen und ihn für Antonio umarmen und für ein langes Leben bitten. Also für Antonio. Mach ich für mich dann auch gleich.

Als sich unsere Wege trennen, stehen wir am Haus einer alten Dame, die im Garten werkelt. Sie ruft Antonio zu, dass er sich nicht so an mich ranschmeißen soll. Das verstehe sogar ich. Antonio erzählt mir, dass sie eine Nonne im Ruhestand ist und nun einen neuen Mann in ihrem Leben sucht. Priester und Nonne Neckereien. Antonio nimmt mich in den Arm „Good bless you, I Love you, buon camino and do the Hug for me“.

Good bless YOU, Antonio. Ich werde deinen Auftrag gerne ausführen.

Später holt mich Anka aus Transilvanien in Rumänien ein. Eine junge Frau, die von Depressionen und Ängsten erzählt. Von „the whole shit of the world“, der sie fertig macht. Sie möchte endlich wieder gütige, nette Menschen treffen und ihre Akkus auffüllen. Ihren Kopf auslüften, neuen Mut schöpfen und „if I cańt heal here on the Camino, where else?“

Ich gehe durch einen Eukalyptuswald. Es duftet wunderbar. Ich trage eine blaue Hortensienblüte mit mir herum, die ich am Wegesrand gefunden habe. Noch ein paar Eukalyptuszweige dazu, ich kann es einfach nicht lassen. Ziemlich bescheuert, Blumen mit mir zu tragen.

Allein im Wald, treffe ich auf Angelika aus Vorarlberg. Sie ist auch alleine unterwegs, findet das aber nicht toll. Ihre Freundin hat kurz vorher abgesagt. Sie wollte doch nicht ohne Beautycase in Urlaub. Sie ist ängstlich, sagt, sie finde schwer Anschluss, es wären ja alles nur Paare und ich höre heraus, dass ihre Motivation eine sportliche ist. Sie läuft deutlich mehr als ich und als ich sie dafür lobe, freut sie sich riesig. Ich interpretiere, dass sie alleine ist, stimmt aber nicht. Ihr Mann hat nur keine Lust auf den Camino. Sie wirkt niedergeschlagen.

Motivationen für den Camino:

  • Persönliche Krisensituationen bewältigen
  • Anworten auf Lebensfragen finden
  • Sportliche Erfolge feiern
  • nette Menschen treffen
  • spirituelle, religiöse Erfahrungen machen
  • sich auf ein einfaches Leben reduzieren
  • einen Wanderurlaub in toller Natur genießen
  • Teil einer Community zu sein

Wir nähern uns Anha und meine Füße sind Brei. Ich beschließe den Bus zu nehmen und die letzten sechs Kilometer zu fahren. Ich bin so stolz auf mich. Ich muss gar nichts und mir und niemandem was beweisen. Ich bin eine selbstbewusste Frau, die auf ihren Körper hört und erwachsen handelt.

Ich frage Handwerker nach der Bushaltestelle und finde sie auch. In einem Café frage ich sicherheitshalber nochmal nach. Die Bude ist voll, um 16.00 Uhr trinkt auch der Portugiese seinen Café, seinen Bica. „Anyone speaking englisch?“, frage ich und alle zeigen stumm auf den Wirt. Ich frage nach dem Bus und er zeigt um die Ecke auf die Bushaltestelle. Auf meine Frage, wann denn einer fahre sagt er, „just in one Minute“. Ich freue mich und renne mit meinem Rucksack, soweit mir das noch möglich ist, zur Haltestelle. Ich möchte den Bus ja nicht verpassen. Angelika verabschiedet sich, natürlich läuft sie munter weiter. Buon Camino.

Es läuft alles wie am Schnürchen. Ich bin froh nicht mehr weiterlaufen zu müssen, es ist inzwischen schon nach 15.00 Uhr und warm. Die Strecke war anstrengend und ziemlich bergig. Ich stehe in der prallen Sonne, es gibt kein Bänkchen, aber mit der Aussicht auf einen Sitzplatz im Bus, ist das gut auszuhalten.

Das ist aber eine verdammt lange portugiesische Minute, denke ich. Kein Bus. Ich gehe zum Fahrplan gegenüber, den ich endlich ausgemacht habe. Lasse die Haltestelle keine Minute aus den Augen, weil, ich möchte unmöglich den Bus verpassen.

Mich trifft der Schlag. Der nächste Bus soll in zwei Stunden fahren! Da hat der Wirt aber schnell mal einen Pilger verarscht. Hier in diesem Kaff nach einem Bus zu fragen ist ungefähr so, wie in unserem Tante Emma Lädchen daheim Hummer bestellen zu wollen. Kein Bus, kein Taxi weit und breit.

Ich habe mehrere Möglichkeiten:

  • mich hinsetzen und vor Erschöpfung weinen
  • den Wirt rund zu machen und ihn mit dem schrecklichsten portugiesischen Schimpfwort (nein, ich sage es hier nicht) das ich kenne, anzuschreien.
  • weiterlaufen

Ich laufe einfach weiter, den Berg hoch, den Berg runter. Schaue sämtliche Gefährte ob Autos, Traktoren oder Lastwagen flehentlich an, keiner hält.

Ich laufe bergab auf die Gustave Eiffel Brücke zu. Es ist ein steiniger und sandiger Abstieg. Einen Moment bin ich unkonzentriert und schon ist es passiert. Ich stürze, falle auf Ellenbogen, Hand und Hüfte, liege dann wie ein Maikäfer auf dem Rücken. Das Gewicht des Rucksacks hat mich auf den Rücken gedrückt. Ich bleibe einfach liegen, denke ich. Ein Pilgermaikäfer auf dem Weg. Nach kurzem Erstaunen, rapple ich mich auf, suche meine Brille im Sand, sie ist Gott sei Dank noch ganz. Finger verstaucht, Ellbogen blutig aber sonst ist nix passiert.

Die Ponte Eiffel ist in Sicht, im Schneckentempo laufe ich weiter. Die Brücke hört nie auf, 563 lange Meter. Um 17.00 bin ich endlich in meinem Hotel und laufe sofort breitbeinig zum Pool. 24 Kilometer sind geschafft!

Abends lasse ich mich mit dem Taxi zur Basilika Santa Luzia den Berg hochfahren. Es fährt eine historische Zahnradbahn hinauf, ich kann jedoch nicht mal mehr zur Zahnradbahnstation laufen. Mein Abend endet im Restaurant mit Vorspeise, Hauptspeise und Crema Catalana zum Nachtisch. Was für ein Tag!

Boa Noite.

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