Beate Mäusle

Autorin

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May I ask, what is your Inspiration for the camino?

Das ist,die am meisten gestellte Frage, neben, where do you come from. Es wird Zeit, mich dieser Frage zu stellen. Heute steht die letzte Etappe bevor, Santiago ich komme.

Schon vor zwanzig Jahren, hat mich ein Kollege, nennen wir ihn Andreas, inspiriert, den Jakobsweg zu laufen. Es war sein großer Lebenstraum und er hat dauernd davon gesprochen. Damals war mir das alles noch viel zu katholisch, er war sehr religiös motiviert. In den Mittagspausen haben wir Karten studiert, er hat mir erzählt, wie er seinen Rucksack packen möchte. Die Trekkinghosen, die durch Reißverschluß in kurz und in lang zu variieren sind, wurden damals erfunden. Er war begeistert, die ideale Hose für den Camino. Als er dann endlich seinen lange ersehnten Vorruhestand erreicht hat, ist er sofort los. Er ist den Camino Frances gelaufen und kam als völlig Anderer wieder. Er hat sich von seinem alten Leben getrennt, von Frau, Freunden, Scheibchenvilla, vermeintlich von einem Tag auf den anderen. Der Jakobsweg war für ihn ein Synonym für einen Ausbruch und Neustart. Er fand auf dem Camino Frances eine neue Lebenspartnerin, die sich wiederum von ihrem Partner trennte. Wenig danach hatte er einen schweren Fahrradunfall und ich habe den Kontakt leider verloren.

Seit dieser Zeit ist der Jakobsweg in meinem Kopf. Immer mal wieder. Als ich dann vom Camino Portugues hörte, war klar, das ist ein guter Einstieg ins Pilgern. Es sind übersichtliche 260 Kilometer und Portugal kenne ich sehr gut. Meine Krebserkrankung vor einigen Jahren spielt sicher auch eine Rolle. Habe ich doch gelernt, dass man seine Zeit gut nutzen muss und Wünsche erfüllen, so man die Möglichkeit dazu hat. Wer weiß schon, wieviel Zeit noch bleibt?

Wonach suche ich?

Ich suche nach Stille, nach alleine sein. Kann ich mit mir gut zurechtkommen?

Ich möchte wissen, wie es ist, mit wenigen Dingen zu reisen. Alles was man braucht, trägt man auf dem Rücken.

Ich möchte die Wirkungen des Laufens erfahren. Kann ich jeden Tag so viele Kilometer laufen? Wie wirkt sich das aus?

Ich suche die Schönheit der Natur. An der portugiesischen Küste zu laufen, muss wundervoll sein.

Mit meiner Krebsdiagnose habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Man weiß das alles als reflektierter Mensch auch schon vorher, aber wenn man eine lebensbedrohliche Krankheit durchlebt, erfährt man das auch emotional. Man kann es nicht nur denken, man fühlt es auch.

Alles Materielle hilft dir nichts, es ist im Angesicht des Todes unwichtig. Es ist schön, alles genießen zu können, keine Frage, es macht das Leben viel angenehmer. Der Rückschluss ist für mich auch nicht, nichts mehr besitzen zu wollen, es geht um die Einordnung, den Stellenwert und die Frage was und wieviel ich wirklich brauche. Was dich wirklich durch das Leben trägt, vielleicht auch durch den Tod, ist die Liebe. Menschliche Beziehungen. Partner, Familie, Freunde.

Ich habe noch in der Chemotherapie begonnen, das Haus von oben bis unten auszumisten. Raum für Raum. Schrank für Schrank. Schublade für Schublade. Ordnungsexperten sagen, dass man sich mit äußerer Ordnung auch eine innere Ordnung herstellt. So habe ich für mich die äußere Welt aufgeräumt. Wahrscheinlich auch die Innere, der Camino mag nur eine Fortsetzung davon sein.

Mit meinen Ayurvedakuren (das ist ein extra Blog wert) habe ich begonnen, meinen Körper aufzuräumen.

Und nun ist die Seele dran. Und ich muss sagen, dazu eignet sich das Laufen und der Camino sehr. Ich habe Gedanken und Emotionen sortiert, Kisten gepackt und vieles ohne Gram weggeworfen. Losgelassen und neu begrüßt.

Braucht man dazu einen Camino?

Ich glaube nicht, es gibt sicher auch andere Techniken dafür. Meditation, Hypnose, Laufen kann man immer. Gespräche, jeder kann seinen Camino finden.

Was den Camino so besonders macht, ist die Spiritualität, die von ihm ausgeht. Die Pilgergeschichte. Die Religion. Und die vielen Menschen mit denen man in Kontakt kommt, die ebenfalls suchen oder Fragen stellen. Die vielen intensiven Gespräche, die ich so gar nicht erwartet habe. Die magischen Orte, wie z.B. der Santiaguino do Monte, die auf einen wirken.

Und ja, ich kann gut mit mir alleine sein. Ich kann zwei Wochen problemlos mit dem Inhalt meines Rucksacks zurechtkommen. Und laufen ist Meditation. Und wir können mehr als wir glauben.

Man ist für eine Weile in einer besonderen und geschützten Umgebung und trifft auf so viel Güte und Verständnis. Man ist nur Pilger, sonst nichts, läuft diesen gelben Pfeilen nach und darf sich nur mit sich selbst beschäftigen. Was für eine gesegnete Zeit. Was für ein Luxus. Alles, woran man sonst gemessen wird, ist hier unbedeutend.

Heute geht es nach Santiago. Ich bin sehr gespannt, wie diese Kathedrale und das Ziel auf mich wirkt.

Steve aus Montana hat ganz von innen raus gestrahlt und gesagt: „I found, what I was looking for. I was looking for Goodness and I found it.“

Let´s see, was der Tag mir bringt.

Buon Camino.

Santiaguino do Monte oder die Vorpremiere Tag 14

Lage

  • Füße: Blasenalarm
  • Pilgeraufkommen: kann nur noch in Santiago getoppt werden
  • Kalorien: richtiges Frühstück vor dem Laufen
  • Wetter: ideales Caminowetter, Nebel und mittags Sonne satt
  • Stimmung: wehmütig, schon jetzt

Ja, was haben wir denn da? Eine Blase, am linken kleinen Zeh. Ich wäre wohl die erste Pilgerin gewesen, die ohne Blasen in Santiago einläuft. Ich bin ja gerüstet für diesen Fall und klebe sofort ein Blasenpflaster darauf. Ist nicht weiter schlimm.

Ich habe Glück, im Pool der ehrwürdigen Pousada ist noch Wasser und ich kann mein tägliches Eisbad nehmen. Wie die Fußballer nach einem fordernden Spiel. Es ist zwar tagsüber noch richtig warm, aber der August war wohl kein richtiger Sommer. Das Wasser der Pools hatte keine Chance sich aufzuwärmen. Ich war so schlau und habe die Caminoreise für den September geplant, weil es da nicht mehr so heiß ist. Aber der galizische Sommer hat extra auf mich gewartet. Dankeschön.

Die Pousada ist putzig, ich kann mir gut vorstellen, wie hier ehemals die Bischöfe von ihrem harten Bischofsleben ausgeruht haben. Im Gang zum Frühstücksraum steht noch eine Beichtbank, zur Deko jedoch. Das Hotel atmet Geschichte. Ich habe ein Zimmer in einem extra Gebäude im Innenhof, ebenerdig, kühl, dunkel, ruhig. Dachte ich.

Am frühen Abend höre ich laute Musik, ich trete aus meinem Zimmer und stehe mitten im Innenhof in einem Spektakel der besonderen Art. Eine galizische Hochzeit. Heute am Donnerstagabend? Da ist richtig was los. Alle sind derart herausgeputzt, dass ich denke, meinen die das Ernst? Die Frauen in den prächtigsten Roben mit Glitzer und Schuhen, für die man erstmal bei Spaniens Next Top Model teilgenommen haben muss. Die Kinder sind mit aufwendigen Frisuren aufgedonnert, Federkleidchen und Glitzer überall. Und die Männer. Schmale Hosen, Brokatsakkos, Samt, große Ringe. Kommt Harald Glöckler auch noch? Zwei Caballeros sind in weiße Reiterhosen, schwarze Reiterstiefel und schwarzem Slim Sakko gekleidet und könnten bei Zoro mitspielen.

Ich bin schwer beeindruckt, und denke, da war meine Hochzeit aber minimalistisch. Sie feiern, Männer laufen mit Gitarren umher und sie tanzen Flamenco Style. Und ich so: Pilgeroutfit.

Der Holländertrupp sitzt beim Apperitiv und staunt mindestens genauso wie ich. Ich weiß nicht was ich lustiger finden soll, die Hochzeitsgesellschaft oder die staunenden Holländer. Als die Dame von der Bar auch ihr Handy zückt und fotografiert, frage ich nach. Es ist bei weitem keine traditionelle galizische Hochzeit, it´s a gipsy wedding. Other culture. From the South of Spain.

Eine Zigeunerhochzeit. Andere Kultur. Aus dem Süden von Spanien. Und Beate mittendrin. Herrlich, nach den Tagen des frugalen Pilgerns, tut mir ein bisschen Amüsement ganz gut. Pech gehabt. Die Hochzeitsgesellschaft hat das Hotel nur für kurze Zeit überfallen. Die Braut wurde aufgebrezelt, sie haben ein Willkommensritual (Interpretation der Ethnologin) aufgeführt und sind dann in ihren Feierlichkeiten wieder abgerauscht. Auch das Hotelpersonal wusste über die Choreographie nicht Bescheid. Übrig bleiben die roten Federn auf dem Boden. Die Caballeros sind jedoch nicht auf ihren Pferden in den Sonnenuntergang geritten, sie haben das Hochzeitsauto gefahren.

Ich bin so in Feierlaune, dass ich das Abendessen ausfallen lasse und stattdessen zwei Gläser Vino Blanco trinke. Die Oliven dazu machen auch satt.

Heute gehe ich ja ein bisschen spazieren. Meine Tagesetappe sind zehn Kilometer. Da muss ich nicht wieder in der Dunkelheit los. Es ist ein Frühstück drin. Der Holländertrupp sitzt schon mit Handgepäck pilgerbereit da und hat die Koffer schon im Foyer deponiert. Da hätte ich in meiner freien Zeit wahrlich keine Lust zu, wieder nach der Uhr leben.

Ich spaziere fröhlich los, das Blasenpflaster leistet gute Arbeit und ich gehe zurück nach Padron zum Camino. Wait. In meiner gelben Bibel ist die Wallfahrt zum Santiaguino do Monte beschrieben. Ein paar Meter neben dem Fuente del Carmen (Carmenbrunnen) beginnen die 114 Stufen zu dem Ort, an dem der Apostel Jakobus seine erste Predigt auf spanischem Boden gehalten haben soll. Die 114 Stufen soll man der Legende nach ohne Pause bewältigen, sonst kommt man nicht in den vollen Genuß der Gnade und Vergebung.

Soll ich da mit meinem Rucksack wirklich hoch? Natürlich stapfe ich hoch und achte peinlichst darauf, in einem Fluß zu gehen. Sonst wäre das ganze ja umsonst. Wenigstens sagt die Legende nicht, dass man da mit den Knien hochrutschen muss. Oben lese ich, dass das die Pilger im 16. Jahrhundert tatsächlich gemacht haben.

Ich bin völlig alleine mit mir und der Welt, die Pilger sind schon auf der Pilgerautobahn. Es ist ein magischer Ort im Morgennebel. Als ich schließlich vor der Santiaguino Statue stehe, bete ich, wünsche meinem verstorbenen Vater Liebe und Frieden, wo immer er auch jetzt ist und weine. Keine Ahnung warum.

Der Weg heute ist nicht besonders schön. Das soll die Schlussetappe sein? Von Padron bis Santiago kann man in einem Tag gehen, es sind ungefähr 24 Kilometer. Ich habe es in zwei Etappen aufgeteilt. Ich möchte morgen ausgeruht in Santiago ankommen und nicht völlig zerstört in die Kathedrale einbiegen.

Eine deutsche Schulklasse pilgert an mir vorbei. Sie machen eine Studienreise. Sind nach Porto geflogen und laufen die letzten drei Etappen des Camino nach Santiago. Hut ab, vor den Lehrern und vor den Schülern. Es sind die üblichen Schülergespräche. Vorne und in der Mitte die mustergültigen Schüler, hinten eher Fack Ju Göhte mit Ghettoblaster und weißer Handtasche.

Ich rufe sofort Jonathan an, habe ihn so lange nicht gesprochen. Ich vermisse ihn.

In einem Café nehme ich mein zweites Frühstück ein. Ein deutsches Ehepaar verursacht Wirbel. Sie haben ihr Gepäck stehen lassen. Sie sind ganz aufgelöst. Die freundliche Spanierin des Cafés regelt alles. Die älteren Herrschaften sind erleichtert. Don und John kommen herein, die zwei lustigen Iren, mit denen ich gestern ein bisschen gelaufen bin. Ich habe ihnen gesagt, dass der Camino eine Sliming Machine ist, sie haben laut gelacht und gemeint, dass es eher eine Alcohol Machine wäre. Die Portugiesin sitzt auch schon da, die gestern so gejammert hat und ich dachte man müsse einen Notarzt für sie holen. Are you ok today? Oh yes, much better. Ihr Pilgerführer/Partner/Begleiter lächelt wissend: es ginge ihr wegen ihm besser, er habe sie lange massiert.

Als dann noch Elsa und Linroy aus Australien reinkommen, denke ich, wie wird das erst in Santiago. Treffe ich alle wieder mit denen ich gelaufen bin?

In Teo verlasse ich den Camino und gehe zum Hotel, das drei Kilometer entfernt liegt. Ich laufe in der Sonne schwitzend den Berg hoch, als eine Spanierin neben mir hält. Sie glaubt ich habe mich verlaufen, hier könne man nicht laufen, kein Camino. Ich zeige ihr wo mein Hotel ist, sie kennt es nicht. Cornide? Kennt sie nicht. Ob sie hier wohne? Ja, natürlich. Ich solle doch mal da unten am Haus klingeln, die wüssten sicher Bescheid. Klar, da, wo die zwei großen Schäferhunde auf ihr Mittagessen warten. Ein Auto kommt den Berg herunter, sie fragt, ob die wüssten, wo Cornide sei? Si, si, den Berg hoch und dann links. Die freundliche Spanierin fragt, ob sie die verschwitzte Pilgerin ins Hotel fahren soll, natürlich, ich lasse mich auf den Beifahrersitz fallen.

Leider nicht. War gelogen. Sie Spanierin steigt, sich entschuldigend und achselzuckend, in ihr kleines Auto ein und düst davon. Lässt mich verdattert in der Sonne stehen, es ist noch ein Kilometer zu meinem Hotel.

Der Umweg hat sich gelohnt. Es ist das schönste Hotel auf der ganzen Pilgerreise. Ein richtiges Zimmer mit großem Badezimmer, richtigen Möbeln, geräumig. Wie jeden Tag, wasche ich meine Klamotten und mich und lege mich zum Schlummern hin. Am Ende bin ich doch wieder 17 Kilometer gelaufen.

Buenes Noches aus Carnide/Teo

Run to Santiago, run! Tag 13

Lage

  • Füße: Hilfe, eine Blase, so müde
  • Pilgeraufkommen: unbeschreiblich hoch
  • Kalorien: sehr zufriedenstellend heute
  • Wetter: bewölkt und nicht zu heiß
  • Stimmung: schade, es ist bald vorbei

Heute ist mir alles zuviel. Ich habe gestern mit Lee doch kein Bier mehr getrunken. Bin im Hotel geblieben, ich war so müde, hungrig und wollte meine Ruhe. Im Restaurant gab es nur ein Pilgermenü, oder auch Menü ohne Pilger. Es war so grauenhaft, dass ich es nicht essen konnte. Also ging ich hungrig ins Bett.

Mein Zimmer war stickig und so bin auch schon wieder früh aufgewacht. Um sieben war ich auf dem Weg zum Camino. Auf das Frühstück im Hotel habe ich verzichtet. Wer so grauenvolle Gerichte auf den Tisch bringt, kann auch kein Frühstück machen.

Es ist stockdunkel und ich freue mich sehr, als ich das erste Caminozeichen finde.

Ich bin alleine unterwegs und wundere mich. Wo sind denn alle? Ich laufe aus dem Städtchen raus und biege in einen Weg durch die Felder und Richtung Wald ein. Niemand ist vor mir und niemand hinter mir. Habe ich mich verlaufen?

Mein ursprünglicher Etappenplan sah drei Tage „Luft“ vor. Heute hätte ich gerne Urlaub vom Camino genommen, wäre gerne in die Thermalquellen von Caldas de Reis gelegen und hätte gerne ausgeruht. Die Zeit habe ich nicht mehr, ich habe mir die restliche Strecke in übersichtliche Etappen aufgeteilt, aus zweien, drei gemacht. Heute habe ich nur 18 Kilometer vor mir.

Ich möchte Ruhe vor dem Camino, nicht senden, nicht sprechen, nicht zuhören. Ich rufe meinen Mann an, ich möchte seine Stimme hören. Schon ist der Weg nicht mehr so neblig, dunkel und einsam.

Kaum habe ich aufgelegt, überrollen mich die Pilger. Haben die sich alle verabredet? Ein Pärchen mittleren Alters, überholt mich, sie laufen Hand in Hand, sie sind ganz in sich und ihr Gespräch vertieft. Drei kleine Spanier, mit sehr kurzen Beinen rennen an mir vorbei. Ein Trupp Holländer, nur mit Handgepäck, stürmt den Berg hoch.

Nach sechs Kilometern ist der nächste Ort erreicht und eine kleine Bar in Sicht. Die steuere ich ohne nachzudenken an und falle fast um, als ich eintrete. Eine Pilgerhöhle. Hier sitzen Pilger, soweit das Auge reicht. Ist mir egal, ich trinke jetzt einen Kaffee und bestelle ein Omelett. Ob ich das Omelett im Brot wolle? Ja, warum nicht.

Ich bekomme einen halben Meter Baguette mit leckerstem spanischen Omelett, mit Käse und Salchicha. Als ich da so zufrieden vor mich hin mampfe, setzen sich zwei Italienerinnen zu mir. So lustig, ich schreibe gerade eine Nachricht an meinen Italienischkurs, mit so wichtigen Informationen, wie, ich frühstücke gerade. „Come se dice breakfast in Italiano?“, die beiden reißen die Augen auf, geben höflich Antwort, Colazione, und fragen warum ich Italienisch lernen würde? Sei tedesca? Ja, ich bin Deutsche und liebe Italien und finde die Sprache schön.

Ich packe mein restliches Omelett ein und laufe weiter. Der Weg ist schön, ich bin satt und die Welt sieht schon wieder ganz anders aus.

Elena und Monica kommen aus Rom. Elena pilgert im Kleid, mit aufgeklebten Wimpern, perfekt geschminkt und toller Frisur. Bella Figura auf dem Camino, das muss man den Italienerinnen schon lassen. Das einzige was mich etwas milder stimmt, ist, dass Elena schon auch ein bisschen zerstört aussieht, der steile Berg hat auch sie geschafft. Sie fragen, wo ich herkomme. Stoccarda. Ah, Stoccarda, das ist doch nicht weit weg von Ulm, wo Einstein geboren wurde. Sehr schöne Stadt, aber Rom ist schon auch schön. Mir fällt fast mein Omelett aus dem Mund, jetzt reiße ich die Augen auf. Elena pilgert nicht nur im Kleid den Camino, sie ist Physikerin am Instituto blablabla in Roma und forscht über dashabeichnichtverstanden über die Frage wasweißdennich.

Ich werde ein bisschen wehmütig, als ich die 40 Kilometermarke nach Santiago erreiche. Bald ist alles vorbei. Die Aufgabe, dem gelben Pfeil hinterherzulaufen ist schon sehr übersichtlich, das kann ich gut bewältigen, das wird mir fehlen.

Heute ist ein unglaublicher Trubel auf dem Camino. Radfahrer, die mit Ghettoblastern an mir vorbei rasen. Mountainbiker die Downhill rasen und dabei filmen. Pilger die im Stechschritt rennen. Pilgergruppen, die ihrem Pilgerführer hinterher rennen. Es ist die vorletzte Etappe vor Santiago, alle haben es eilig, alle rennen zur Kathedrale. Alle wollen ihr Ziel erreichen, je schneller, desto besser. Run to Santiago. Ich komme mir wie eine Schnecke vor.

Vor mir läuft eine Pilgerin in Trekkingsandalen. Ob sie Probleme mit den Füßen habe? Oh ja. Ihre Wanderstiefel baumeln am Rucksack, ebenso frisch gewaschene Socken, ein Handtuch und anderes Pilgerklimbim. Sie sei am Strand 30 Kilometer gelaufen, durch das Outback mit diesen Schuhen gewandert, aber hier wären sie unbrauchbar. Was ist hier anders als in Australien? Die Schuhe sind ein großes Problem für Pilger. Trotz kaputter Füße, beißt sie sich vorwärts. Morgen läuft sie wahrscheinlich auf Socken in Santiago ein.

Padron ist schön. Hier kommen sie her, die Pimentos Padron, die mein Mann so gerne isst.

Ich mache für ein schönes Hotel Überkilometer, es ist eine ehemalige Residenz der Bischöfe von Santiago. Kurz vorm Eingang zum Hotel, zieht wieder der Trupp Holländer an mir vorbei und drängelt sich vor mir an die Rezeption. Run to Santiago, run.

Buenas Noches de Padron. In diesen ehrwürdigen Gemäuern komme ich mir fast, aber nur fast, ein bisschen vor wie eine Pilgernonne.

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